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Jobcenter Leipzig

15. Juli 2016

"Psychosoziales Coaching" ermöglicht eine passgenaue Intervention für eine bessere Reintegration in den Arbeitsmarkt

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  • Schwerpunktthema Gesundheitsförderung
  • Zielgruppe Menschen mit Behinderung

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Für Leipzig wurde in einer Auswertung festgestellt, dass ca. 66% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Erstgespräch mindestens eine psychische Erkrankung aufzeigen. 94% wurden zu diesem Zeitpunkt nicht oder nur suboptimal behandelt. Psychische Erkrankungen stellen ein Vermittlungshemmnis dar, das jedoch bei einer entsprechenden Intervention verringert werden kann. Aus unterschiedlichen Gründen begeben sich betroffene Personen meistens nicht in eine leitlinienkonforme Behandlung. Oftmals bleibt die psychische Erkrankung daher unerkannt und erschwert die Reintegration in den Arbeitsmarkt. Das bedeutet: Es besteht ein Bedarf an Diagnostik, Beratung und Motivation der Betroffenen, um eine optimale Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Daher wurde das „Psychosoziale Coaching“ im Rahmen des Bundesprogramms "Perspektive 50plus" entwickelt. Die Integrationsfachkräfte sollen die Möglichkeit haben, Kundinnen und Kunden, bei denen sie eine psychische Erkrankung vermuten, an kompetente Fachpersonen zu vermitteln, damit sie mit diesem Problem nicht mehr allein gelassen sind. Der innovative Charakter des Projekts besteht darin, dass diese Dienstleistung zuvor nicht angeboten worden war und der Schritt durch die Betroffenen, ein Angebot der medizinischen Regelversorgung wahrzunehmen, oft zu groß war.

Seit 2011 laufend.

In Leipzig gibt es eine hohe und verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit: Über 40% der Erwerbslosen in Leipzig sind langzeitarbeitslos. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist u.a. eine Folge der Strukturanpassungen am Arbeitsmarkt nach der Wiedervereinigung. Die aktuelle konjunkturelle Lage vor Ort ist gut. Neue Arbeitsplätze werden geschaffen, vor allem auch für Helfertätigkeiten. Damit bestehen für langzeitarbeitslose Menschen – auch für Geringqualifizierte – Möglichkeiten der Reintegration am Arbeitsmarkt.

Beim „Psychosozialen Coaching“ sollen zunächst bislang unerkannte psychische Erkrankungen durch ausführliche psychologische Diagnostik erkannt werden. Anschließend werden die betroffenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in psychologischen Einzelberatungen über ihre Erkrankung sowie Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt. Diese Gespräche führen Psychologinnen und Psychologen durch, die im Coaching arbeiten. Im Sinne einer „Lotsenfunktion“ sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer motiviert werden, sich in eine leitlinienkonforme Behandlung zu begeben. Das Vermittlungshemmnis soll abgebaut, die psychosoziale Versorgung und die Vermittlungschancen insbesondere von älteren Langzeitarbeitslosen verbessert werden. Optional können die Einzelberatungen auch zur Krisenintervention, zur Überbrückung von Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz oder zur Entlastung bei schwierigen Lebenssituationen genutzt werden. Zusätzlich werden Gruppenprogramme zur Förderung von gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen und Kompetenzen (z.B. Stressbewältigung, soziale Kompetenzen) angeboten.

Das Projekt richtet sich an langzeitarbeitslose Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Das Projekt „Psychosoziales Coaching“ wird gemeinsam mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Leipzig umgesetzt.

Für die Teilnehmer erfolgt der Zugang zum „Psychosozialen Coaching“ über die Vermittlungsfachkräfte des Jobcenters. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden zuvor geschult. Sie erhielten Wissen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen, zur Gesprächsführung sowie Inhalten und Zielen des "Psychosozialen Coachings". Das Coaching erfolgt in mehreren Stufen:

1. Erstgespräch mit einer oder einem im Coaching arbeitenden Psychologin bzw. Psychologen, in dem eine umfangreiche Anamneseerhebung sowie Psychodiagnostik erfolgt.

2. Anschließend finden weitere Beratungstermine statt, in denen die Klientinnen und Klienten über die Ergebnisse der Diagnostik und unter Umständen vorliegende psychische Erkrankungen (Psychoedukation) und Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden.

3. Stimmen die von einer psychischen Erkrankung betroffenen Klientinnen und Klienten der Schweigepflichtsentbindung gegenüber der Fallmanagerin oder dem Fallmanager zu, kann die zuständige Psychologin bzw. der zuständige Psychologe mit der Arbeitsvermittlerin bzw. dem Arbeitsvermittler Rücksprache halten und gemeinsam den Reintegrationsprozess in den Arbeitsmarkt abstimmen.

4. Die Folgetermine im Beratungsprozess umfassen konkrete Interventionen: Dazu zählen beispielsweise die Teilnahme an Gruppenprogrammen oder Kurz- und Kriseninterventionen. Sie dienen zudem der Motivationsbildung für eine Behandlungsaufnahme bzw. zur Überbrückung von Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz.

Menschen, die nicht an einer psychischen Erkrankung leiden, können das „Psychosoziale Coaching“ ebenfalls zur Krisenintervention oder einer Beratung in umgrenzten Problembereichen nutzen sowie an Gruppenangeboten teilnehmen. Die Anzahl der Beratungsgespräche ist nicht festgelegt, sodass die Beratungsdauer individuell angepasst werden kann.

In den ersten vier Jahren des Projekts (2011-2015) sind 1.070 Erstgespräche zwischen Kundinnen und Kunden und dem psychologischen Team erfolgt. Die Evaluation des Projekts hat ergeben, dass bei der Mehrheit (66%) mindestens eine psychiatrische Erkrankung vorlag, jedoch nur ca. 6% zu dem Zeitpunkt in einer leitlinienkonformen Behandlung waren. Den Betroffenen wird vorwiegend der Weg in psychiatrische und/oder psychotherapeutische Behandlungen gebahnt (57% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer). Außerdem werden häufig Beratungsstellen, z.B. bei Suchterkrankungen, empfohlen. Weitere psychosoziale oder medizinische Versorgungsangebote, z.B. Hausärztinnen und -ärzte zur Differentialdiagnostik oder Projekte für Adipositas-Patientinnen und –Patienten, wurden in der Lotsenfunktion ebenfalls berücksichtigt. 

Die Auswertung zeigt auch: Durch die Intervention bei einer psychischen Erkrankung wird Motivation gefördert. Mehr als 30% der Teilnehmenden konnten im Anschluss wieder einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung der Dienstleistung ist es, dass die Räumlichkeiten der beratenden Psychologinnen und Psychologen im Jobcenter verortet sind. So entstehen keine Zugangshürden in "psychiatrische" Einrichtungen. Zudem ermöglicht dies eine gute Zusammenarbeit und einen optimalen Austausch. Entscheidend für den Erfolg ist nicht zuletzt die Anbindung an eine Klinik, um die entsprechende fachliche Expertise und damit Qualität zu sichern, sowie einen unkomplizierten Austausch zu ermöglichen und zeitnah Entscheidungen zu treffen.

Das "Psychosoziale Coaching" ist ein Kooperationsprojekt des Jobcenters Leipzig mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Leipzig. Die im Coaching arbeitenden Psychologinnen und Psychologen sind von der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig angestellt. Sie haben ihren Sitz jedoch direkt im Jobcenter Leipzig. Dort sind sie für die Bürgerinnen und Bürger auf schnellem und unkompliziertem Wege ansprechbar.