Wie kamen Sie auf die Idee, ein Portal für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen zu entwickeln?
Stefan Schäfer: Im Rahmen des Job-Turbos haben wir überlegt, wie wir ein Portal schaffen können, das Menschen mit nur geringen Deutschkenntnissen dabei unterstützt, passende Stellenangebote zu finden. Nach technischen Rücksprachen haben wir uns mit dem Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit abgestimmt und beschlossen, Stellen für Menschen ab Sprachniveau A2 mit dem Hashtag „#Welcome“ zu kennzeichnen. Mit Hilfe einer externen Firma und der Schnittstelle der Bundesagentur für Arbeit wurden diese Anzeigen schließlich in das Portal aufgenommen. Das Portal ist auf allen digitalen Endgeräten abrufbar und kann dank KI in jede beliebige Sprache übersetzt werden. Wichtig war uns, dass die Nutzenden in ihrer Muttersprache die Inhalte verstehen und relevante Informationen wie Arbeitsort und Umfang (Vollzeit/Teilzeit) einsehen können. Zusätzlich gibt es eine Rubrik mit Übersetzungen von Fachbegriffen, um Branchenbegriffe verständlich zu machen. Wir schaffen dadurch nicht nur Transparenz für Geflüchtete, die nach passenden Jobs suchen, sondern bieten auch den Beratungsfachkräften des Jobcenters im Landkreis Northeim und im Landkreis Göttingen einen Überblick.
Wie ist die Kooperation zwischen Ihren Jobcentern entstanden und wie binden Sie die lokalen Unternehmen ein?
Stefan Schäfer: Gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern aus Niedersachsen, darunter Landräte, Kommunen und Verbände, haben wir die Initiative „Job Turbo Süd-Niedersachsen" ins Leben gerufen und aktiv beworben, um Arbeitgebende zur Teilnahme zu motivieren. Ihre Beteiligung und eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in den Communities, hat dazu geführt, dass das Portal seit Januar 2024 monatlich mehrere tausend Zugriffe verzeichnet. Die Idee entstand zwar in Northeim, aber nur Dank der Kooperation und unserem gemeinsamen Arbeitsmarkt konnte sie erfolgreich umgesetzt werden. Bei jeder Stelle, die im Portal aufgenommen werden soll, fragt der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit den Arbeitgebenden, ob diese Stelle auch für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen geeignet ist. Und, wenn das der Fall ist, dann wird die Stelle aufgenommen. Grundsätzlich ist das Feedback der Betriebe und Arbeitsuchenden durchweg positiv, und auch andere Jobcenter haben die Idee inzwischen übernommen.
Gabriele Bock: Bei uns sind die Rückmeldungen gerade auch von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die mit Menschen mit geringeren Deutschkenntnissen arbeiten, sehr positiv. Sie kommen mit diesem Stellenportal sehr gut zurecht, weil es gut zu bedienen ist. Sie können es selbst in Deutsch lesen und die Zielgruppe kann sich dann noch mal übersetzt selbst informieren.
Stefan Schäfer: Ich hätte mir gewünscht, wir hätten uns auf eine bundesweite Kennung von solchen Stellenangeboten verständigen können. Wir sehen ja, dass es ein sehr einfaches und auch auf Seiten der Arbeitsverwaltung ressourcenschonendes Instrument ist. Das Einzige, was benötigt wird, ist eine einheitliche Kennzeichnung.
Welche Kommunikationsmaßnahmen nutzen Sie, um auf das Portal aufmerksam zu machen?
Gabriele Bock: Besonders wichtig ist, dass unsere Integrationsfachkräfte in Gesprächen auf das Portal zugreifen und darauf verweisen können. Ich glaube, der Erfolgsfaktor ist die Kombination daraus und aus dem Streuen dieser Informationen in den entsprechenden Communities. Zusätzlich geben auch die Netzwerkpartnerinnen und -partner, also die kommunalen Wirtschaftsförderungen, Arbeitgeberverbände, oder die Kammern, das Portal an ihre Arbeitgebenden weiter oder weisen in Veranstaltungen darauf hin.
Stefan Schäfer: Wir nutzen das Portal gezielt in Beratungsgesprächen und haben Visitenkarten in verschiedenen Sprachen erstellt, die wir an Integrationskurse, Trägerinnen und Träger und an Communities verteilen. Diese sind untereinander sehr gut vernetzt. Zusätzlich wird auch auf der Homepage des Landkreises Northeim auf das Portal hingewiesen.
Gibt es neben dem Portal noch weitere Angebote, die Sie für Menschen mit geringen Deutschkenntnissen anbieten?
Stefan Schäfer: Wir haben natürlich diverse Maßnahmen für diese Zielgruppe im Angebot wie beispielsweise Weiterbildungen oder Coachings. Wichtig ist bei der Zielgruppe, dass die Sprache auch immer mit im Fokus steht.
Gabriele Bock: Sowohl im Landkreis Göttingen als auch im Landkreis Northeim hat es mehrfach Jobbörsen gegeben. Diese wurden primär für Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchtgeschichte durchgeführt. Weitere Börsen sind bereits in Planung. Auf diesen Messen unterstützen uns Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Trägerinnen und Träger, die Sprachkurse anbieten und Firmen, die Menschen mit Migrationshintergrund und geringeren Deutschkenntnissen einstellen, stellen ihre Angebote vor. Weiterhin gibt es noch unterschiedliche kleinere Formate, die wir immer mal wieder anbieten. Wir haben beispielsweise Bewerbertage durchgeführt oder Job-Frühstücke in unseren Familienzentren ausgerichtet. Dabei haben wir unter anderem mit der Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft Göttingen zusammengearbeitet. Anfang des Jahres gab es außerdem einen Fachtag für Frauen mit Migrationsgeschichte auf dem Weg in die Erwerbstätigkeit, bei dem Arbeitgebende, Trägerinnen und Träger von Maßnahmeangeboten und Leistungsbeziehende zusammengebracht wurden. Der Übergang aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ins SGB II funktioniert bei uns im Landkreis gut. Wir arbeiten eng mit unserem Fachbereich Soziales zusammen, um den Menschen mit Migrationshintergrund zielgerichtete und aufeinander aufbauende Angebote zu unterbreiten.
Mit welchen weiteren Unterstützungsangeboten erreichen Sie die Menschen?
Stefan Schäfer: Wir haben die unterschiedlichsten Formate, aber immer wieder geht es uns darum, dass wir vor Ort mit den Akteurinnen und Akteuren überlegen, wie wir eine Idee, wie das Portal, möglichst so umsetzen können, dass sie zur Region passt. Letztlich ist es das große gesellschaftliche Interesse aller, Menschen mit Fluchthintergrund schnellstmöglich in Arbeit zu integrieren. Unsere Aufgabe ist dabei immer wieder aufs Neue, geeignete Formate zu finden, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.
Gabriele Bock: Größere Messen sind beispielsweise ein gutes Format, um einen Überblick über Arbeitsangebote zu gewinnen und um Ideen zu sammeln. Sehr erfolgreich sind jedoch auch kleinere Formate wie Bewerbertage, bei den Bewerberkreis und Arbeitsangebote gezielt zusammengeführt werden. Hier ist gut auszuwählen, wer für welche Arbeitsangebote infrage kommt und entsprechendes Interesse hat. Wir führen hier im Landkreis einen sozialraumorientierten Beratungsansatz durch, bei dem wir auf die Ressourcen und den Willen der einzelnen Leistungsberechtigten schauen. Das Vorgehen ist unserer Erfahrung nach sehr nachhaltig, da die Personen in der Regel dann auch eher in ihrer Arbeit bleiben. Und gerade dafür nutzen wir kleine, zielgerichtete Bewerbertage.
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