Die Pandemie war und ist eine Herausforderung für Führungskräfte. Was haben Sie in Zeiten von Lockdowns, Homeoffice und beschleunigter Digitalisierung über gute Führung gelernt?
Regine Schmalhorst: Wir haben in Dortmund drei Dinge gelernt: Erstens, wie wichtig es ist, den Überblick zu bewahren und Prioritäten zu setzen. Auf uns ist unglaublich viel Neues eingeströmt, zusätzlich zum Alltagsgeschäft. Da mussten wir Führungskräfte mehr denn je priorisieren. Zweitens haben wir erfahren, wie wichtig klare Kommunikation an Mitarbeitende ist. Nicht nur im Hinblick auf den Infektionsschutz, sondern auch generell: Was ist unser gesetzlicher Auftrag? Wie bleiben wir als Jobcenter auch in diesen Zeiten in der Stadt präsent? Und drittens ist es in dieser Situation wichtiger denn je, als Führungskraft menschlich zu bleiben. Diese Pandemie macht auch mit uns etwas. Eine Chefin oder ein Chef ist ja kein Apparat. Wir nutzen deshalb Podcasts für unsere Mitarbeitenden. In E-Mails lassen sich kaum Emotionen vermitteln, aber mit Sprache und Stimme gelingt das besser. Im Podcast habe ich zum Beispiel kurz erzählt, wie die Kontaktbeschränkungen auch mich privat belasten. Wir sind alle nur Menschen.
Wann haben Sie entschieden, in Führungspositionen zu streben, und was waren die Gründe dafür?
Regine Schmalhorst: Das habe ich für mich entschieden, noch bevor ich zur Bundesagentur für Arbeit (BA) kam. Ich bin vom Typ her eine Person, die gerne organisiert und koordiniert. Ich war früher schon Klassensprecherin und diejenige im Chor, die dafür gesorgt hat, dass alle bei der Probe erscheinen. Zur BA bin ich durch eine Stellenanzeige gekommen: „Nachwuchskraft, höherer Dienst, allgemeine Verwendung.“ Das klang spannend. Ich bin Juristin und habe mich im Jahr 2000 nach dem zweiten Staatsexamen umgeschaut. Ein Anruf beim Ansprechpartner im Landesarbeitsamt Nord ergab, dass die BA junge Führungskräfte suchte. Genau in der Rolle habe ich mich gesehen. Nach der Einweisungszeit leitete ich den Programmbereich Arbeitgeber und habe in dieser Funktion auch die Agenturen beraten. Aus der Tätigkeit heraus wurde mir klar: Ich wollte selbst in einer Agentur Verantwortung übernehmen und habe mich erfolgreich auf die Stelle der Geschäftsführung operativ in einer Agentur beworben. Mir macht es Freude, selbst und mit den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam zu gestalten. Führung macht nicht immer nur Spaß. Doch mir ist es wichtig Orientierung zu geben und einen Rahmen zu setzen, in dem sich Mitarbeitende entfalten können. Menschen zu fördern und sie sich entwickeln zu lassen – dieser Teil der Tätigkeit macht mir unheimlich viel Freude.
In den Jobcentern wachsen ständig neue Führungskräfte heran. Was ist der wichtigste Rat, den Sie als Mentorin an junge Talente weitergeben können?
Regine Schmalhorst: Mein Motto lautet: Den Mutigen lächelt das Glück. Es ist wichtig, sich selbst etwas zuzutrauen. Und von dem Gedanken Abstand zu nehmen, man müsse perfekt sein. Viel wichtiger ist es doch, Lust auf Führung zu haben und auszuprobieren, wie sich Verantwortung anfühlt und wie ich mit schwierigen Situationen umgehen kann. Eine Führungskraft muss nie etwas ganz allein können. Sie sollte sich immer Partnerinnen oder Partner suchen: Wer Teamleiterin oder Teamleiter ist, hat noch andere Teamleitungen neben sich. Als Geschäftsführerin arbeite ich in einem Gremium. Auch die Kollegin bei mir im Vorzimmer ist zum Beispiel eine Partnerin. Und auch junge Führungskräfte können sich Partnerinnen und Partner suchen, die sie ergänzen.
Wollen Sie mehr über weibliche Führung erfahren? Dann hören Sie jetzt den Podcast der Servicestelle SGB II. In dieser Folge erfahren Sie, warum Qualitäten, die von der Gesellschaft als weiblich angesehen werden, im Kontext der Arbeitswelt besonders wichtig sind – insbesondere auch für männliche Führungskräfte. Ines Eulzer, Beraterin für Change-Management, hat sich intensiv mit verschiedenen Qualitäten im Arbeitskontext auseinandergesetzt. Sie erklärt, warum die so genannten weiblichen Qualitäten in einer männlich strukturierten Arbeitswelt essenziell sind, wie Sie diese effizient für sich nutzen können und mit welchen Mitteln Sie selbst Veränderung in der Arbeitswelt bewirken können.