Das Onlinezugangsgesetz (OZG) hat den Weg für die Digitalisierung von zahlreichen Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland geebnet. Es verpflichtet Bund, Länder und Kommunen ihre Leistungen für Bürgerinnen und Bürger bis Ende 2022 auch digital anzubieten. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das MAGS NRW die Federführung für die Umsetzung im Themenfeld „Arbeit & Ruhestand“ übernommen. Die Sozialplattform ist dabei ein zentrales Vorhaben und ermöglicht es auch den kommunalen Jobcentern, ihre Leistungen OZG-konform digital anzubieten.
Was bietet die Sozialplattform für kommunale Jobcenter und für Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland?
David Wilkskamp : Sie bietet Infos, Beratungsangebote und Antragsstellung. Mit der Sozialplattform haben wir ein ganzheitliches digitales Portal zu Sozialleistungen geschaffen. Über die Plattform können die Nutzerinnen und Nutzer unter anderem direkt die Leistungen „Arbeitslosengeld II“, „Bedarf für Bildung und Teilhabe“, „Aktivierung und berufliche Eingliederung“, „Förderung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit“ und „Übernahme von Mietrückständen“ beantragen. Aber nicht immer wissen die Bürgerinnen und Bürger, auf welche Leistungen sie Anspruch haben könnten: Deswegen bietet die Sozialplattform einen Sozialleistungsfinder, um diese Leistungen zu identifizieren. Was Wohnungslosenhilfe und Sucht- oder Schuldnerberatung angeht, können Ratsuchende über die Sozialplattform eine passende Beratungsstelle finden und direkt einen Termin vereinbaren, der vor Ort oder künftig via Chat oder Video direkt auf der Plattform stattfinden kann.Die Sozialplattform bietet den kommunalen Jobcentern einen sicheren und rechtskonformen digitalen Zugangskanal für ihre Leistungsberechtigten.
Welche Vorteile bietet sie – werden Leistungsberechtigte etwa ihre Anträge unkompliziert am Smartphone stellen und bearbeiten können?
David Wilkskamp : Bereits zu Beginn des Projekts haben wir potenzielle zukünftige Nutzerinnen und Nutzer sowie Expertinnen und Experten aus dem Bereich Digitalisierung und Sozialleistungen einbezogen. In einer Anforderung waren sich alle einig: Es muss möglich sein, sich auf einer Plattform über Sozialleistungen zu informieren und dort direkt auch Anträge zu stellen. Denn alles über ein Portal erledigen zu können, erleichtert und beschleunigt die Nutzung enorm. Deswegen haben wir die Plattform genau so angelegt.
Zu einem guten Angebot gehört, dass Bürgerinnen und Bürger es ohne große Hürden anwenden können. So kann die Sozialplattform unabhängig vom Endgerät genutzt werden, also beispielsweise auch mit dem Smartphone. Das entspricht der Lebensrealität vieler Menschen, die hauptsächlich oder ausschließlich mit dem Smartphone online sind. Zudem erlaubt es, das Angebot auch unterwegs zu nutzen. Wir bieten die Plattform neben Deutsch auch in Englisch sowie in Leichter Sprache an, um den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer nachzukommen. Weitere Sprachen werden nach und nach ergänzt. Um sicherzustellen, dass die Plattform für die Nutzerinnen und Nutzer genauso intuitiv nutzbar ist, wie wir es uns vorstellen und mit der Zeit immer besser wird, führen wir stetige Nutzertests durch.
Wie wird sich die Sozialplattform auf die Arbeit in den kommunalen Jobcentern auswirken?
Beatrice Berbig: Mit der Sozialplattform entlasten wir die kommunalen Jobcenter dabei, alle ihre im OZG inkludierten Leistungen mit dem Gesetz konform zu digitalisieren. Sie können auf ein Angebot zurückgreifen, welches langfristig finanziert, gepflegt und weiterentwickelt wird und rechtssicher ist. Dadurch, dass sie die Plattform mitnutzen können, haben sie zudem mehr Kapazitäten für eigene Digitalisierungsvorhaben. Außerdem entlastet die Plattform die zuständigen Stellen vor Ort auch inhaltlich: Indem sich die Bürgerinnen und Bürger bereits auf der Sozialplattform unter anderem darüber informieren können, wie sie die Anträge korrekt ausfüllen, versprechen wir uns eine höhere Qualität der eingereichten Anträge. Zudem erlaubt die Sozialplattform eine medienbruchfreie Datenübernahme und reduziert so Übertragungsaufwände und Fehlerquellen.
Wie können kommunale Jobcenter mit der Plattform arbeiten? Welche technischen Voraussetzungen müssen sie erfüllen ?
Beatrice Berbig: Neben der vergabe- und datenschutzrechtskonformen Gestaltung der Plattform war es uns auch wichtig, dass sich kommunale Jobcenter einfach und sicher an die Plattform anbinden können. Entsprechend erfolgt die Anbindung über etablierte Schnittstellenstandards (XÖV, OSCI, XTA2). Um eine reibungslose Anbindung zu erzielen, werden wir die kommunalen Jobcenter mit unserem Team bestmöglich begleiten. Wenn der Rollout der Sozialplattform für ein neues Bundesland ansteht, werden wir die zuständigen Personen in den lokalen Jobcentern kontaktieren und zu einer Auftaktveranstaltung einladen. Bei diesen und anderen Infoveranstaltungen oder über Infomaterial werden wir unter anderem auch zu den technischen Voraussetzungen für die Anbindung informieren.
Wie relevant ist die Sozialplattform für die gemeinsamen Einrichtungen? Sie machen immerhin drei Viertel der Jobcenter aus.
Beatrice Berbig: Die Sozialplattform ist die digitale Plattform für die kommunalen Jobcenter, aber für die gemeinsamen Einrichtungen ist sie ebenfalls bedeutsam. Denn die Bürgerinnen und Bürger wissen oft nicht genau, ob ihr Jobcenter kommunal oder als gemeinsame Einrichtung von einer Kommune zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit betrieben wird. Die Sozialplattform gibt Bürgerinnen und Bürgern hier Orientierung: Indem sie ihre Postleitzahl oder ihren Wohnort eingeben, können sie die für sie zuständige Stelle finden. Sollte eine gemeinsame Einrichtung zuständig sein, wird auf das Angebot von jobcenter.digital verlinkt. Hierüber ist – in den Zuständigkeitsbereichen der gemeinsamen Einrichtungen – ein Antrag auf „Arbeitslosengeld II“ möglich. So finden die Bürgerinnen und Bürger ganz einfach den richtigen Ort, um ihren Antrag zu stellen.
Weshalb genau entsteht die Plattform in NRW?
David Wilkskamp : Um den Aufwand bei der Umsetzung des OZG so gering wie möglich zu halten, werden die Digitalisierungsprojekte möglichst nach dem „Einer für Alle“-Prinzip umgesetzt. Ziel ist, dass jede Leistung nur einmal digitalisiert und betrieben werden muss und dann von Ländern und Kommunen nachgenutzt werden kann. Dadurch müssen diese keine eigenen Lösungen entwickeln und erfüllen mit der Nachnutzung das OZG. Um arbeitsteilig vorzugehen, wurden die Verwaltungsleistungen in Themenfelder geordnet. Das MAGS NRW ist, gemeinsam mit dem BMAS, Themenfeldfederführer für die föderalen Leistungen im Bereich „Arbeit & Ruhestand“. Darunter fallen auch die Sozialleistungen „Arbeitslosengeld II“ und „Hilfe zum Lebensunterhalt“.
Wie lief die Entwicklung ab und wer war beteiligt?
Beatrice Berbig: Die Entwicklung der Sozialplattform wird durch einen Steuerungskreis gelenkt, in dem die Bundesländer und des BMAS sowie als Gäste die kommunalen Spitzenverbände und die freie Wohlfahrtspflege vertreten sind. Durch diesen Steuerungskreis ist abgesichert, dass alle föderalen Ebenen in den Ausbau der Plattform involviert sind. Besonders zentral für das Projekt sind zudem die Digitalisierungsstraßen. Hier arbeiten Expertinnen und Experten aus Kommunen, Ländern und kommunalen Jobcentern gemeinsam an der Konzeption der Online-Anträge und den digitalen Infomaterialien.
Darüber hinaus bieten wir eine Reihe von Informationsveranstaltungen, darunter so genannte Dialogforen. Hier bekommen wir regelmäßig wertvolles Feedback von den Beratungsstellen, Kommunen und den kommunalen Jobcentern. Über Nutzungstests erfahren wir zudem, wie die Bürgerinnen und Bürger sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Beratungsstellen und kommunalen Behörden ihre Nutzungserfahrung beurteilen und was wir zukünftig verbessern können.
Was sind die nächsten Meilensteine beim Ausbau der Plattform?
David Wilkskamp: Am 14. März 2022 sind wir mit der Beta-Version der Sozialplattform live gegangen. Wir haben uns für einen schrittweisen Aufbau entschieden. Zukünftig werden wir die Plattform in mehreren Stufen um weitere Informationsseiten, Leistungen und Funktionalitäten erweitern. Ab Mitte 2022 können Nutzerinnen und Nutzer auf den zuvor erwähnten Sozialleistungsfinder oder die Terminvereinbarungsfunktion zugreifen. Da die Sozialplattform als ein Themenportal konzipiert wurde, möchten wir zukünftig weitere Antrags- und Beratungsleistungen aufnehmen. Perspektivisch soll auch die Kommunikation zwischen den Antragsstellerinnen und Antragsstellern mit den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern mithilfe einer Postkorbfunktion vollständig digital möglich sein.
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