Herr Eskif, welchen Ansatz verfolgen Sie bei der Integrationsarbeit und was ist Ihnen bei der Arbeit mit Geflüchteten besonders wichtig?
Abdulghafoor Eskif: Ich verfolge den Ansatz „Mut und Begeisterung statt Angst und Zwang“. Es ist mir besonders wichtig, dass die Menschen sich als Teil der Lösung sehen und nicht nur als das Problem. Ich stelle ihnen immer drei zentrale Fragen: Wer bin ich? Wo möchte ich hin? Und was ist mein Weg? Und dann höre ich den Menschen zu und begleite sie auf diesem Weg. Ich bin nur da und baue Vertrauen auf. Das dauert natürlich, aber irgendwann rufen die Menschen mich an und sagen: Ja, wir haben doch über diese Weiterbildung gesprochen, steht das Angebot denn noch? Manche Prozesse können wir nicht beschleunigen. Wir implementieren und begleiten Veränderung. Das funktioniert nur, wenn die Menschen bewusst mitmachen.
Sie sind 2015 aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Inwiefern prägen Ihre Erfahrungen denn Ihre Arbeit mit den Geflüchteten und dem Job-Turbo?
Abdulghafoor Eskif: Meine eigene Fluchterfahrung prägt meine Arbeit in vielerlei Hinsicht tiefgehend. Sie hat mir gezeigt, wie herausfordernd der Weg ist. Wenn Menschen über ihre Situation berichten, dann weiß ich wie das ist. Und ich bin aber auch das Beispiel, das es braucht, um zu zeigen: Das System ermöglicht einen Weg da raus. Man kann sich eine Zukunft hier aufbauen. Und das verleiht mir eine bestimmte Empathie. Ich erzähle nicht von irgendwelcher Theorie, die ich gelesen habe, sondern ich spreche über meine eigenen Erfahrungen. Ich bin der Überzeugung, dass das auf jeden Fall eine bestimmte Glaubwürdigkeit und Authentizität in den gesamten Prozess bringt. Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass sich die Rahmenbedingungen von Integrationsprozessen seit dem Jahr 2015 kontinuierlich verbessert haben und es immer mehr Förderung gibt. Wir sind unbürokratischer geworden und sprechen auf Augenhöhe mit den Menschen – diesen Wandel sehe ich als sehr positiv.
Wo sehen Sie denn bei der Integration Hürden und wie könnte man diese bewältigen?
Abdulghafoor Eskif: Zu den großen Herausforderungen zählen die Sprachförderung, Kinderbetreuung und der Wohnungsmangel. Die Sprachförderung ist dabei besonders wichtig, denn ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist es schwierig eine Arbeit zu finden oder im Alltag zurecht zu kommen. Wir müssen an dieser Stelle investieren und die Angebote leichter zugänglich machen, damit die Menschen die deutsche Sprache lernen können. Für mich persönlich wichtig sind aber auch die Hürden in den Köpfen der Menschen. Daran sollten wir auch arbeiten und gesellschaftlich und kulturell dafür sensibilisieren, dass Diversität eine Bereicherung ist.
Können Sie uns ein Erlebnis aus Ihrer Arbeit im Jobcenter schildern, bei dem Sie Menschen erfolgreich in Arbeit vermittelt haben?
Abdulghafoor Eskif: Es gab da eine Geschichte, die war besonders schön. Das war die erste Person, die ich vermittelt habe, die eine E-Mail mit Lob als Feedback geschrieben hat. Sie kam mit einem Ziel. Nach der Elternzeit sagte sie: Ich will was werden. Daraufhin haben wir sie gefördert und sie auf ihrem Weg zur Verwaltungsfachangestellten begleitet. Heute arbeitet sie in einem Jugendamt in Berlin. Und in ihrer E-Mail kann ich einfach die Dankbarkeit spüren. Ich glaube einmal pro Jahr brauche ich sowas [lacht]. Dieser Mensch und die Familie haben durch das Jobcenter eine sichere Zukunft ermöglicht bekommen. Und das bedeutet sehr viel – für diese Frau, aber auch für ihre Kinder und ihren Ehemann. Ich nenne das eine nachhaltige Integration.
Was würden Sie Arbeitgebenden empfehlen, die Geflüchtete einstellen möchten?
Abdulghafoor Eskif: Es gibt drei Aspekte, die wir großschreiben sollten: Diversität, Vielfältigkeit und Kulturwandel. Soziale Verantwortung zu übernehmen ist gut, aber Diversität bringt auch wirtschaftliche Vorteile. Marktforschende und Unternehmen weltweit haben das schon erkannt. Und ich möchte Arbeitgebende dazu einladen, das zu reflektieren. Geflüchtete können einen wichtigen Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens oder einer Organisation leisten.