Worum geht es im Forschungsvorhaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung?
Ramos Lobato: Unsere Befragung ist Teil der Bürgergeld-Evaluation und gehört als solche zur Wirkungsforschung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Somit ist sie Baustein eines relativ umfangreichen Evaluationsprojekts, dessen Aufgabe es ist, die Umsetzung der Reform aus Sicht der verschiedenen Jobcenter-Beschäftigten zu untersuchen. Wir haben diese Befragung ins Leben gerufen, weil unserem Verständnis der Bürgergeld-Reform zufolge den Jobcentern eine ganz entscheidende Rolle zukommt. Deshalb muss die Perspektive derjenigen in den Blick genommen werden, die für die Umsetzung des Bürgergelds verantwortlich sind.
Bernhard: Zu den Zielen der Bürgergeld-Reform gehört auch, mehr Respekt und mehr Chancen in der Beratung zu implementieren. Derartige Themen lassen sich sehr schwer in ein Gesetz schreiben. Deswegen war die Idee hinter der Befragung: Wie kommt die Reform in die Köpfe und wie genau funktioniert die Umsetzung in der Interaktion zwischen Verwaltung und den Bürgergeld-Berechtigten? Die Arbeitsverwaltung und die Beschäftigten in den Jobcentern in den Fokus zu rücken, ist sehr wichtig, wenn man die Reform und ihren Erfolg bewerten möchte.
Welche thematischen Schwerpunkte werden gesetzt?
Bernhard: Die Befragung ist insofern einzigartig, als dass es bisher noch keine bundesweite Online-Befragung sowohl kommunaler Jobcenter als auch gemeinsamer Einrichtungen gab, die in mehreren Befragungswellen wiederholt wird. Pro Befragungswelle wird es unterschiedliche Themenschwerpunkte geben. In der ersten Welle wird der Fokus zunächst auf den Einstellungen zum Bürgergeld allgemein liegen, aber auch auf den einzelnen Elementen der Reform. Thematisch stehen u.a. Coaching und Fallmanagement, die Karenzzeit für Miete und Vermögen, die Neuregelung der Leistungsminderungen sowie die Priorisierung von Weiterbildung im Vordergrund. Ab kommenden Sommer werden die Antworten dann ausgewertet und erste Ergebnisse publiziert. Die Ergebnisse könnten helfen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende weiterzuentwickeln. Denn durch eine derartige Befragung kann man schon eine Idee davon bekommen, was bereits gut läuft und wo noch Ausbaupotenziale liegen. Somit hat der Input der Jobcenter-Beschäftigten politisch Gewicht. Die Befragung gibt den Jobcentern Gehör und verleiht ihnen eine Stimme.
Wie wird sichergestellt, dass die Perspektive der Jobcenter abgebildet wird und was passiert mit den Daten der Befragung?
Ramos Lobato: Wir befragen alle Geschäftsführungen. Zusätzlich befragen wir per Zufall ausgewählte Beschäftigte aus den Bereichen der Beratung und Vermittlung sowie der Leistungsabteilung, bei der sichergestellt ist, dass sowohl Beschäftigte der Kommunen als auch der Bundesagentur für Arbeit gleichermaßen berücksichtigt sind. Die erste Befragungswelle startet im Frühling 2024. Wir berücksichtigen selbstverständlich die datenschutzrechtlichen Bestimmungen. So werden einzelne Jobcenter in den Auswertungen nicht erkennbar. Es geht uns in keiner Weise um Leistungskontrolle, sondern darum, die Einstellungen und Erfahrungen der Personen zu erheben, die für die Umsetzung des Bürgergeldes zuständig sind. Die Perspektive der Jobcenter ist für die Evaluation der Bürgergeld-Reform zentral, da sie Einblicke in die Umsetzungspraxis bietet. Über uns erreichen diese Einblicke auch politische Akteure wie die Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Erste Befragungswelle startet im März 2024
Die Online-Jobcenter-Befragung Bürgergeld wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung durchgeführt und erhebt Einschätzungen des Jobcenter-Personals. Start der ersten Befragungswelle ist März 2024. Interessierte können sich mit Nachfragen oder anderen Informationsbedarfen per E-Mail an das OnJoB-Postfach wenden. Die Datenschutzinformation finden Sie hier. Auf sgb2.info werden im nächsten Jahr zentrale Erkenntnisse der ersten Befragungswelle veröffentlicht.
Dr. Philipp Ramos Lobato (E-Mail) ist promovierter Soziologe. Seit 2008 arbeitet er am IAB, zunächst im Forschungsbereich „Erwerbslosigkeit und Teilhabe“, seit 2012 in der Stabsstelle Forschungskoordination. Er forscht insbesondere zu geförderter Beschäftigung für Langzeitarbeitslosigkeit, zuletzt zu den Instrumenten des Teilhabechancengesetzes.
Dr. Sarah Bernhard (E-Mail) ist promovierte Soziologin und arbeitet seit 2004 am Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung. Dort forscht sie vor allem zur Evaluation aktiver Arbeitsmarktpolitik und beschäftigt sich mit Themen wie Weiterbildung, Vermittlung und Migration. Sie leitet die Online-Jobcenter-Befragung Bürgergeld.
Steckbrief
- OnJoB: bundesweite Online-Befragung für kommunale und gemeinsame Jobcenter
- 3 Befragungen jeweils im Frühling 2024 bis 2026
- Zielgruppe: Beratungs- und Vermittlungspersonal, Leistungssachbearbeitung, mittlere und obere Führungskräfte, ohne Arbeitgeberservice
- Zufallsauswahl von Jobcentern und Beschäftigten
- Dauer max. 25 Minuten
- Unterstützung durch folgende Akteure: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bund-Länder-AG Eingliederung SGB II, Kommunale Spitzenverbände (Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag), Bundesagentur für Arbeit