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Veranstaltung

Vielfalt leben: Leipzig setzt ein Zeichen

Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit stellte das Jobcenter Leipzig zwei Wochen lang die Wanderausstellung „Weil Vielfalt Fetzt“ aus. Wir haben die Ausstellung besucht und sprachen mit den Beschäftigten vor Ort über Inklusion und Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt.

Astrid Gustrau, Holger Richter, Andrea Tischer und Robert Neumann (v.l.n.r.) in der Ausstellung im BIZ Leipzig.

Vom 16. Juni bis 31. August dieses Jahres zeigte das Jobcenter Leipzig gemeinsam mit der Agentur für Arbeit die Wanderausstellung „Weil Vielfalt Fetzt“. Die Ausstellung der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V., gefördert durch Aktion Mensch, präsentiert die vielen Facetten der Inklusion: Menschen mit und ohne Behinderung, die sich auf ihre Art und Weise für ein inklusives Miteinander in Sachsen einsetzen. In über 50 persönlichen Interviews und Fotos erzählen sie ihre Geschichten.

Als Ausstellungsort wurde das Berufsinformationszentrum (BIZ) in Leipzig gewählt. Es ist ein geschäftiger Ort. Wer sich für seine berufliche Zukunft inspirieren lassen will, kommt hierher. Genau der richtige Ort also, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, das uns alle angeht: Inklusion in der Arbeitswelt.

Inseln der Vielfalt erzählen persönliche Geschichten

Im Berufsinformationszentrum wurden 30 Geschichten an zehn auffälligen „Inseln“ innerhalb der Räumlichkeiten ausgestellt. Diese „Inseln der Vielfalt“ erzählen je drei Geschichten über Vielfalt und Inklusion. Mittels QR-Codes lassen sich die Interviews in Alltagssprache, Leichter Sprache und Gebärdensprache oder als Audiodeskription abspielen. „Insbesondere für die Berufsorientierung von Schülern ist das toll“, erklärt Robert Neumann, Berater für Rehabilitanden und Schwerbehinderte in der Agentur für Arbeit Leipzig, „man kommt schnell mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch, denn sie interessieren sich für die Geschichten und finden sich darin auch wieder. Da war zum Beispiel die Geschichte eines Rollstuhlfahrers, für den das Unternehmen einige Umbaumaßnahmen gemacht hat. Das inspiriert und motiviert Schülerinnen und Schüler, die eine ähnliche Einschränkungen haben.“

Eine dieser inspirierenden Geschichten ist die von Tatjana aus Dresden. Im Jahr 2021 erlitt sie einen schweren Verkehrsunfall. Seitdem kann sie ihre Beine nicht mehr bewegen. Das bedeutete das Ende für ihren Traumberuf im Einzelhandel. Nach dem Unfall stand sie vor der Herausforderung, sich neu zu orientieren. Nach langem Überlegen fand sie ihre Berufung im Gesundheitswesen. „Meine Arbeit ist hier wirklich zum Traumberuf geworden, weil ich meinen Nachteil zum Vorteil machen konnte. Ich kann viel aus Erfahrung sprechen und ich kann ganz viele Sachen vorher selbst testen“, erzählt sie in einem Interview im Rahmen der Wanderausstellung.

Zehn Inseln erzählen insgesamt 30 persönliche Geschichten in der Ausstellung im BIZ.

Inklusion auf dem Arbeitsmarkt fördern

Das Jobcenter Leipzig betreut derzeit insgesamt 2010 schwerbehinderte Menschen. Das umfasst sowohl geistige als auch körperliche Behinderungen. So individuell wie der Mensch ist, so individuell muss die Betreuung im Jobcenter sein. Astrid Gustrau, Teamleiterin und Verantwortliche für Rehabilitanden und Schwerbehinderte im Jobcenter Leipzig, berichtet: „Für uns fängt die individuelle Betreuung bereits beim Erstgespräch an, das kann durchaus schon in der Eingangszone sein. Gemeinsam mit den Klienten oder der Klientin finden wir heraus, wie eine gleichberechtige Teilhabe am Arbeitsleben gelingen kann.“

Dafür arbeiten die verschiedenen Akteure des Jobcenters und der Agentur für Arbeit in Leipzig eng zusammen. Wie zum Beispiel mit dem gemeinsamen Arbeitgeberservice des Jobcenters und der Agentur für Arbeit. „Viele Menschen mit Behinderungen bewerben sich sehr aktiv. Wir kommen meistens dann ins Boot, wenn es um Förderungen geht“, erzählt Andrea Tischer vom Arbeitgeberservice, „wir sind häufig das Bindeglied und arbeiten eng mit den Reha-Beraterinnen und -Beratern sowie mit dem Jobcenter zusammen.“ So wird eine 3-monatige Probezeit ermöglicht, während der Arbeitgeber das Gehalt zu 100 Prozent erstattet bekommt. In dieser Zeit zeigt sich, wo die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Unterstützung brauchen. „Oftmals sind das technische Arbeitshilfen oder eine Beförderung, damit man jeden Tag von A nach B kommt“, sagt Tischer.

Ein inklusiver Arbeitsmarkt gelingt mit etwas Flexibilität. Holger Richter, Landessprecher der Schwerbehindertenvertreter der gemeinsamen Einrichtungen in Sachsen, erklärt: „Das Wichtigste ist, Barrieren abzubauen. Da muss man als Arbeitgeber auch manchmal ein bisschen kreativ sein und die Stellen entsprechend anpassen, um Menschen mit Behinderungen eine Chance zu geben.“

Mittlerweile seien viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sensibilisiert, wenn es um körperliche Behinderungen geht, berichtet Tischer. Bei den psychischen Einschränkungen sei allerdings noch Luft nach oben. „Gerade im psychischen Bereich, was auch stark zu medizinischen Einschränkungen bei den Menschen führt, wünsche ich mir mehr Sensibilisierung. Nicht alle können mit einem schnelllebigen Arbeitsalltag mithalten“, erzählt Tischer.

Das BIZ in Leipzig informiert Menschen über ihre vielfältigen Berufsmöglichkeiten.

Inklusion im eigenen Haus leben

Intern setzen sich die Teams des Jobcenters Leipzig viel mit den Themen Inklusion und Vielfalt auseinander. „Wir sind auf einem guten Weg“, bestätigt Richter, der gleichzeitig Schwerbehindertenvertreter des Jobcenters Leipzig ist. Mit gezielten Workshops, an denen auch Führungskräfte teilnehmen, wird sensibilisiert. „Dann kommen Führungskräfte auf mich zu und sagen: Mensch, da musste ich auch mal wirklich drüber nachdenken und jetzt sehe ich es etwas anders“, freut sich Richter.

„In der Gesellschaft ist alles dabei und das ist auch unsere Realität“, sagt Gustrau, „wir sind ein offenes Haus und unsere Haltung ist, dass jeder und jede angenommen wird.“ In inklusiven Teams lernen alle voneinander. Darin sind sich alle Kolleginnen und Kollegen im Jobcenter und der Agentur für Arbeit in Leipzig einig. „Es gibt einem die Chance, sich zu entwickeln und über den Tellerrand hinaus zu blicken“, sagt Tischer.

Holger Richter, Landessprecher der Schwerbehindertenvertreter der gemeinsamen Einrichtungen in Sachsen und Schwerbehindertenvertreter im Jobcenter Leipzig, freut sich über die Signalkraft der Ausstellung.

Wo Vielfalt gelebt wird, wächst Gemeinschaft

Wie der Blick über den eigenen Tellerrand gelingt, zeigt auch die Wanderausstellung „Weil Vielfalt Fetzt“. Sie vermittelt die Botschaft, dass Gemeinschaft dort wächst, wo Vielfalt aktiv gelebt wird. Ein Beispiel hierfür ist die inklusive Theater-Gruppe CAMO aus Kriebstein, die Pier Giorgio Furlan leitet. Sein Credo lautet: „Ich sage immer: Barrierefreies Theater ist nicht barrierefrei, weil die Toilette erreichbar ist, sondern weil wir keine Barrieren gegenüber behinderten Menschen haben. Im Kopf frei sein, das ist wichtig.“

Gelebte Vielfalt bereichert nicht nur die Arbeitswelt, sondern schafft auch die Grundlage für eine inklusive Gesellschaft, in der jeder Mensch mit seinen besonderen Fähigkeiten einen wertvollen Platz hat. Das zeigt die Ausstellung eindrucksvoll und baut damit existierende Barrieren in den Köpfen ab.